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© Theresa Clayton 2015

 

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APFELBAUM MIT TÜCKEN

 

Bäume hielt ich bislang für emotionslose Gewächse.
Sie stehen im Garten oder auf der Wiese, produzieren ihre Früchte – fertig!
Daß manche unberechenbar sein können, ja sogar heimtückisch, habe ich in diesem Jahr gelernt.

 

Mindestens zehn Jahre lang stand unser Apfelbaum im Garten herum und ist bloß gewachsen.

Sonst nichts.

Man konnte reden, was man wollte. Stur stand er da und rührte sich nicht.

In manchen Jahren garnierten ihn ein paar Blüten.

Das waren Blender – am Ende kam nichts heraus.

Letztes Jahr hingen sogar ein paar krumpelige Äpfel an den Zweigen.

Das waren auch Blender. Die fielen schon herunter, bevor man eine Ahnung bekam, wie sie irgendwann mal aussehen könnten.

 

Vergangenes Frühjahr schnitt Liebling die Äste zurück.

Nach dem großen Haufen abgeschnittener Äste zu urteilen vermute ich, daß ihm die Launen unseres Apfelbaumes gehörig auf die Nerven gegangen sind.

Nach dieser Aktion muß dem Baum plötzlich eingefallen sein, wozu er gepflanzt wurde.
Er schob Millionen von Blüten heraus, eine schöner als die andere.

Aus den Blüten wurden Äpfel.

Der Sommer kam, die Äpfel wurden größer und größer und – purzelten einer nach dem anderen herunter!

Anfangs dachten wir, dem Baum sei die Last zu schwer. Oder daß er die Früchte abwirft, die er nicht ernähren kann.

 

In unseren Büchern - durchweg mit Themen wie man, ohne viel zu tun, einen schönen Garten bekommt - steht allerhand drin, aber kein Wort über bockige Apfelbäume.

Mittlerweile glaube ich sowieso, daß der Baum es auf mich abgesehen hat.

Daß er über irgend etwas richtig sauer ist.

Warum sonst wirft er die Äpfel immer dann herunter, wenn ich gerade mal wieder fertig geworden bin mit dem Auflesen, Schälen und Schnippeln, dem Backen und Essen des soundsovielten Apfelkuchens und dem Einkochen von Kompott und Apfelmus. Wenn ich endlich alles in der Speisekammer verstaut haben und mir einbilde, mal für eine Weile die Hände in den Schoß legen zu können?

Warum sonst wirft er sie ausgerechnet dorthin, wo ich nicht hinkomme, ohne Schaden zu nehmen - also mitten hinein in den Rosenbusch mit den kleinen, biestig pieksenden Stacheln? Und warum sonst wirft er sie einem mitunter direkt vor der Nase herunter, so daß sich sogar unsere Katze, die allerhand gewöhnt ist, fürchterlich erschreckt, den Schwanz schräg stellt und um die nächste Ecke flitzt, obwohl sie sich sonst eher altersgemäß gemächlich bewegt?

 

Wenn die Äpfel, so sie denn endlich mal reif werden, nicht so gut schmecken würden – was übrigens Würmer, Wespen und Ohrenkneifer auch finden – wäre der komplette Baum schon längst im Ofen gelandet.