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© Theresa Clayton 2015

 

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WINTERSPECK UND AMSELFRAUEN

 

Die Amselfrauen sind aus dem Süden zurück.

Demnach müsste Frühling sein?

Schneefälle und ein noch halb zugefrorener Stadtsee sind wahrscheinlich reine Halluzinationen?

 

Sie wissen aber schon, dass Amselfrauen über den Winter in den Süden fliegen?

Zu kalt ist es Ihnen im Winter hier in unseren Breitengraden, wie bei Frauensleuten halt so üblich!“, habe ich bei einer Ratesendung im Radio gelernt.

Die Amselmänner müssen derweil ihr gemeinsames Zuhause verteidigen. Ob das so stimmt, weiß ich nicht, bei uns flitzen den ganzen Winter über Amselfrauen Futter suchend durch den Garten. Wenn Liebling ihnen keine Körner serviert, können sie lange suchen, der Boden ist gefroren. Auch in der Komposttonne mit dem verrutschten Deckel oben drauf gibt es nichts zu erben. Die Krähen haben sich schon alles Eßbare herausgepickt, und vor den Krähen haben sich die Mäuse dort mit Lebensmittel für ihre Speisekammer eingedeckt.

Alle Würmer, die in der Tonne wohnen, haben sich ins warme Innere verdrückt.

Ob die im Winter auch arbeiten, die Würmer?

Oder lieber Winterschlaf halten?

Würmerwinterschlaf? Hat man davon schon gehört?

 

Schaut man den Amseln zu, auf den Beeten, unter den Büschen und im Heckengestrüpp, kommt es einem vor, als hoppsten braune Gummifederbälle herum. So pummelig und aufgeplustert wie sie aussehen. Der Winterspeck macht also auch vor ihnen nicht halt. Das beruhigt mich. Allerdings geht, im Gegensatz zu meinem, der Amselwinterspeck im Frühjahr von alleine wieder weg. Bei mir bleibt er hocken. Deshalb habe ich jede Menge Kleidungsstücke im Schrank, in die ich gleich nach dem Winter nicht mehr hineinpasse.

Und später?

Später auch nicht.

So langsam geht mir der Platz aus, wo ich sie deponieren kann. Den Keller garnieren ausrangierte Koffer und Riesenkartons, die sind alle bis oben hin vollgepackt. Kein Blatt Löschpapier paßt mehr hinein.

Deswegen, und weil ich mittlerweile die Hoffnung auf schlankere Zeiten aufgegeben habe, machte sich bei mir der Gedanke breit, einen Klamotten-Flohmarkt in unserem Garten zu veranstalten. Unsere Bäume machten sich gut als Kleiderständer, es sähe lustig aus, wenn bunte Blusen und dies und das dort flattern würden, Passanten „Ach, schaut doch mal! Da, am Baum!“ neugierig durch das Gartentürchen kämen, die gute Landluft genössen und so einiges für ihren eigenen Kleiderschrank mitnähmen.

Leider ist im letzten Sommer unser Pflaumenbaum auseinandergebrochen. Kürzlich hat Liebling ihn vollends entstellt und sämtliche Äste abgesägt, damit er wieder austreibt. In 20 Jahren erwarten wir, ein bis drei Pflaumen ernten zu können.

 

 

 

 

 

Wenn Liebling in Aktion ist, bleibt nicht viel ungeschoren:
der Kugelahorn wurde auch gleich bis auf den Stamm gestutzt.

Wozu?

Weil der angeblich keine Kugel mehr war.

Wie sieht das denn jetzt aus?

Nur noch ein trauriges Gerippe.

Wo ich die Kleiderbügel mit meiner Flohmarkt-Kollektion anhängen soll, hat er mir noch nicht mitgeteilt.

Dabei wird es langsam Zeit, dass ich mal Bescheid weiß, die Amseln sind schon viel dünner geworden und in den Geschäften hängt bereits die neue Frühjahrsmode.
Übrigens, falls jemand fragen sollte:
der Kugelahorn ist kein Kugelahorn sondern eine Kugelesche.