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© Theresa Clayton 2015

 

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OHRENTRAINING

 

Sie wissen, dass Ohren ziemlich anfällige Dinger sind?

Wenn man sie nicht richtig trainiert, dann werden sie faul. Wir würden eines schönen Tages nichts mehr hören, weil der Ohrmuskel schlapp gemacht hat.

Das haben einige Leute erkannt. Sie möchten auf keinen Fall, dass wir so enden. Da sie sich in entsprechenden Positionen befinden, haben sie die Order gegeben, dass in sämtlichen öffentlichen Gebäuden Musik zu laufen hat.

Sogar die Fahrzeuge, die durch die Fußgängerzone fahren und nachts durch die dunklen Straßen, wurden entsprechend ausgerüstet.

Auch hier in unserem kleinen Städtchen.

Falls Sie das noch nicht gehörte haben, würde ich vorschlagen, dass Sie Ihren Arzt besuchen, damit der sich das mal anschaut.

Da die Musik zentral gesteuert wird, hat keiner die Möglichkeit, am Ausknopf zu drehen. Die Berieselung und somit das Trainingsprogramm ist zu jeder Zeit sichergestellt. Sie müssen sich also keine Sorgen machen.

 

Irgendwer hat ja einmal behauptet, das hätte nichts mit Ohrmuskeltrainig zu tun, das hätte etwas mit dem Melken zu tun. Kühe würden bei Musikberieselung mehr Milch geben.

Ich bitte Sie! Der Mensch ist doch, wenigstens nach meinem Kenntnisstand, kein Rindvieh, das man so mir nichts dir nichts melken kann.

 

Neulich war ich in einem dieser großen Kaufhäuser.

Kommt man durch die Eingangstür, wird man gleich mit Musik empfangen. Sie lockt einen durch sämtliche Abteilungen. In jeder Abteilung wird man mit passenden musikalischen Arrangements beglückt. Bei Kochtöpfen gibt es Blechmusik, in der Hochzeitsabteilung „Ganz in waaaiiiissss“, bei der Bettwäsche „Ein Frühstück im Bett….“ (was bei Männerklamotten läuft, weiß ich nicht).

In solch einem Kaufhaus benötigt man wirklich keinen Einkaufszettel. Man wird – sozuasgen musikalisch – mit der Nase draufgestoßen, was man kaufen will.

Schön und anstrengend ist sowas. Die ganze Schlepperei von Tüten und Kartons und überall so warm und trockene Luft.

Irgendwann mußte ich in dem kleinen Café ein bißchen verschnaufen. Das tat ich bei einem „Russischen Heißen“. Das ist Kakao, in welchem Rum versteckt wurde, damit keiner merkt, dass man tagsüber schon herumludert. Nur für den Fall, dass Sie das auch mal probieren möchten.

Dort wurde Strauß-Musik gespielt. Mich verleitet diese Musik immer zum Mitpfeifen oder lauthals die zweite Stimme zu trällern. Täte man aber so etwas in einem Café und jemand hat mitbekommen, dass man der Bedienung gesagt hat, sie solle das Mischungsverhältnis von Kakao und Rum einfach umdrehen, wäre der Ruf fix ruiniert.

 

Als ich später meine Einkäufe zu Hause vom Auto ins Haus bugsiert hatte, stellte ich fest, dass in meinen Schränken keine zwei Zentimeter Platz übrige waren. Das Brautkleid (!), das ich in der Hochzeitsabteilung erstanden habe, könnte ich ja noch eine Weile im Karton oben auf dem Kleiderschrank liegen lassen. Man weiß nie, wie man sowas mal brauchen kann in der Familie. Wegen der neuen Kochtöpfe und diverser anderer Dinge, die ich mittlerweile aus früheren Kaufhausbesuchen dieser Art mindestens dreifach zu Hause habe, werde ich am nächsten Markttag in unserem Städtchen einen eigenen Stand aufmachen. Wenn ich die örtliche Ohrentrainigsanlage anzapfe und über meinen Stand laufen lasse, kriege ich das Zeug bestimmt ganz schnell wieder los.

 

Wenn Sie mich in Zukunft ansprechen sollten und keine Antwort bekommen, dann liegt das daran, dass ich jetzt meine Ohren zustopfe, bevor ich aus dem Haus gehe. Ich will von diesen sogenannten Ohrentrainings- und Melkanlagen nichts mehr hören.