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© Theresa Clayton 2015

 

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LESEPROBLEME

 

„Laß mich bloß in Ruhe damit!“, maule ich hinter meinem Buch hervor.

Liebling liegt mir in den Ohren mit ich solle „kindlen“.

Kindlen!

Schon wieder so ein neues Wort, als gäbe es davon nicht schon genug.

 

Ich nehme mein Buch, gehe in den Garten und kümmere mich nicht weiter um Lieblings Interventionen.

 

Im Garten herrschen Wüstentemperaturen!

Völlig erschossen von der Hitze und der 7-Meter-Strecke Haustüre – Pflaumenbaum, lege ich mich auf den Liegestuhl, der unter eben diesem Pflaumenbaum steht.

Die Position meines Kopfes befindet sich, verflixt nochmal, genau in der Lücke zwischen zwei trockenen Ästen, hier erwischt mich die Sonne.

Ich quäle mich wieder hoch und schleppe mit letzter Kraft den Liegestuhl unter die Kugeleberesche.

Das ist mein Lieblingsbaum in unserem Garten.

Das Blätterdach breitet sich über mir aus wie ein Sonnenschirm.

Schön ist das.

Warm ist es darunter.

Heiß ist es darunter.

Sogar mein Buch schwitzt.

 

Ich schnappe mein Buch und krieche zurück ins Haus.

Drinnen ist es schön kühl.

Alle Fensterläden sind geschlossen. Sonnenschirme und Markisen rund um das Haus strecken der Sonne die Zunge heraus „ätsch – wir lassen dich nicht ins Haus rein“!

Bei solch einer Hitze weiß ich nicht mehr wie richtiges Leben geht.

Ich lümmel mich in den Ohrensessel und halte meinen dicken Wälzer so, dass der kleine Lichtstrahl, der sich durch die Ritzen der Fensterläden schmuggelt, direkt auf das Buch scheint. Das Buch ist zu groß, der Lichtstrahl zu klein, meine Arme zu lahm, um den Wälzer ständig hin- und herzubewegen.

 

Vor einiger Zeit hat Liebling einen Kindle von seiner Mom bekommen.

Sie liest lieber Papier.

Seither leiert er mir die Ohren voll, ich solle das mal ausprobieren mit diesem Kindle.

„Geh fort! Wer braucht so etwas denn?“ weise ich ihn zurecht.

„Beim kindlen braucht man sich nicht zu bewegen. Das ist ideal, wenn man durch die Hitze so erledigt ist, dass man keinen Finger krumm machen will!“

Sagt Liebling.

„Man tippt nur einen kleinen „Bubs“ auf’s Display: nächste Seite, Dankeschön.“

 

Ich ziehe richtige Bücher vor.

Schon wegen der netten Leute in unserer Buchhandlung, mit denen man immer auch ein Schwätzchen halten kann, wenn man im Laden herumstöbert.

Lesen wird allerdings schwierig, wenn man einen dicken Wälzer am Wickel hat.

Und den womöglich im Bett lesen will.Im Bett!

Wo man sich den Nacken verdreht, damit das Licht dort hinscheint, wo man es braucht.

Und wo einem ziemlich bald der kopfabstützende Arm einschläft, weil kein Blut mehr reinläuft.

Wo sich ausserdem Eiskrusten auf der Haut bilden, weil man nicht unter der warmen Bettdecke lesen kann.

Weil man da nämlich nichts sieht, und weil die Nachttischlampe nicht unter die Zudecke paßt.

 

Liebling muß neuerdings mit dem vorsintflutlichen Kindle-Modell seines Vaters auskommen, welches ohne Beleuchtung ist,

Das ärgert ihn ziemlich, und er bereut sehr, mich auf den Kindle-Geschmack gebracht zu haben.

Weil nämlich: Mein (!!) Kindle leuchtet selber.

Sogar abends, wenn die Sonne endlich mal weg und draußen alles dunkel ist, kann ich im Garten auf meiner Schaukel sitzen und ewig lange „kindlen“. 

Bis es mich so richtig grault.

Wegen des Krimis, den ich gerade am Wickel habe, und wegen der schwarzen Bäume, die, obwohl tagsüber wunderschön anzusehen, nachts aber irgendwie bedrohlich wirken, und wegen raschelnder Büsche, bei denen man nie weiß, was da drinnen hockt!

Ich lese lieber im Bett weiter.

Wo das mit der Nachttischlampe jetzt ja auch ziemlich wurscht ist.