BÄCKERBLUT
Ich weiß nicht, wieso ich in unserem Garten unbedingt einen Holunderbusch pflanzen musste.
Mein Vater maulte seinerzeit :
„Das Zeug wächst wie Unkraut und die Beeren machen einen Haufen Sauerei!“
Recht hatte er.
Weil Holunder gesund sein soll, dachte Liebling darüber nach, was man mit den Beeren, die uns die Vögel übrig lassen, noch anfange könnte ausser sie, vermatscht an den Schuhsohlen klebend, in's Haus zu tragen.
„Holunderbeerwein!“ fiel ihm ein „Holunderbeerwein schmeckt prima, den kann man leicht selber herstellen.“
Ich fügte ergänzend hinzu:
„Wenn man über das ganze Handwerksgeschirr verfügt, das man dazu benötigt. Und wenn einem lilablaue Explosionen im Keller nichts ausmachen.“
Meine Einwände ignorierend, stöberte Liebling fortan in sämtlichen Kochbüchern nach einem geeigneten Rezept zur Herstellung von explosionsresistentem Holunderbeerwein.
Um ihn von dieser Weinpanscherei abzulenken - aber nicht nur deswegen - haben wir kürzlich einen Brotbackautomaten gekauft.
Ich bin froh, dass wir über den Luxus einer zweiten Küche verfügen. Der Automat wanderte dort hin und sämtliche Backzutaten, die in unserem Haus und in den Geschäften zu finden waren, hinterher.
Liebling hat sein Holunderweinherstellerblut eingetauscht gegen Bäckerblut.
Er steht jetzt täglich in seiner Backstube und fabriziert ein Brot nach dem anderen.
Mein Gefrierschrank ist voll mit den verschiedensten Sorten.
Die Nachbarn machen einen Bogen um uns; Geschmackstester zu sein für Lieblings Kreationen ist nicht deren Intention.
Lecker sind sie ja, seine Brote, aber in Form und Farbe durchaus verbesserungswürdig. So quälen ihn zum Beispiel die Löcher im Brot, die durch die beiden Arretierungsstifte entstehen, an denen die Knethaken befestigt werden. Bis ihm etwas geeignetes hierzu einfällt, benutzt er die Löcher im fertigen Brot als Kerzenhalter, was ich sehr romantisch finde. Ich kann das Foto nicht mehr finden, auf welchem ich diese Kreation verewigt hatte.
Holunderbeerwein?
Ach, wissen Sie, Holunderbeerwein ist für diese Saison erst einmal
passé.
Ich überlege, wie ich ihn im nächsten Jahr davon ablenken kann.
Während ich überlege, koche ich Gelee aus den Holunderblüten - als Aufstrich für Lieblings Brote. Gelee aus den schönen Sternchenblüten macht ungleich weniger Arbeit und nicht solch eine Geschmiere, wie die Herstellung von Marmelade und Wein aus den reifen Beeren.
Eine blaue Schnute bekommt man davon auch nicht - und Gelee explodiert nicht.