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© Theresa Clayton 2015

 

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GARTENGEWÄCHSE

 

Liebling macht ja allerhand mit, aber neulich sagte er, wenn ich so etwas kochen würde, dann äße er künftig im Wirtshaus. Er sei schließlich kein Kaninchen.

 

Ich finde das übertrieben.

Wie jeder weiß, geht der Trend mittlerweile in diese Richtung.

Erstens ist es billig und zweitens wächst es überall.

Löwenzahn findet man im Stadtgarten, Sauerampfer und Wiesenschaumkraut entlang der stillgelegten Bahnlinie, sogar manche Bioläden bieten inzwischen Unkraut an.

Bei uns wächst davon jede Menge im Garten.

Bei Ihnen etwa nicht?

Sind sie einer von den Gärtnern, die immer alles picobello haben?

Wie machen Sie das?

Nehmen Sie doch bloß mal den Giersch!

Kaum sind die Temperaturen einigermaßen lau, schießt dieses und jedes andere Unkraut aus dem Boden.

Findet man vielleicht Blattläuse oder eine einzige Schnecke daran?

Keine einzige! Aber an meinen Salat- und Gemüsepflanzen fressen sie sich fett.

 

Ich habe mich ja schon immer gewundert, warum man die kultivierten Pflanzen nicht einfach beim Gärtner läßt und sie dort bewundert. Es ist ja nicht so, daß wir in unserem Städtchen keine Gärtnereien hätten. Die freuen sich bestimmt, wenn man sie besucht. Damit der Gärtner bei diesem Geschäftsmodell nicht pleite geht, könnte er ja Eintritt nehmen.

Warum kann man im Hausgarten nicht einfach wachsen lassen, was man eh nicht verhindern kann?

 

Wir kaufen gerne Bücher. In unserem Bücherregal steht meterlang alles über Ackerbau und Viehzucht für den Hobbygärtner.

Haben wir ein Problem im Garten, helfen die Bücher aber keinen Pfennig, weil sich weder Liebling noch ich uns erinnern, in welchem davon wir über Wildkräuter etwas gesehen haben.

Hat man’s endlich gefunden, steht der Winter vor der Tür.

 

Eines Tages sahen wir ein Wildkräuterbuch in einer Auslage.

Das hatte einen schönen Umschlag, deshalb wurde es gekauft.

Die Überraschung war, daß darin alles dokumentiert ist, was bei uns wild im Garten wächst. Es steht sogar drin, was man wann zu ernten, wie man es zuzubereiten und wie es zu schmecken hat.

Nun dürfen Sie raten, was bei uns in die Salat- und Gemüseschüssel kommt.

Auch dieses oder jenes wilde Blümchen wird unsere Teller künftig verzieren.

Vor allem Gänseblümchen.

Da blutet mir aber schon ein bißchen das Herz.

Wächst doch unter dem Birnenbaum ein wunderschöner Teppich aus Gänseblümchen, verwilderten roten Tausendschön, Primeln und Schlüsselblumen. Wäre doch schade drum, nicht?

Hinter dem Holderbusch macht sich ein großes Kissen aus blauen Veilchen breit. Aus Veilchen kann man Likör machen, habe ich gelernt. Darüber ließe ich ja vielleicht noch mit mir reden. Ein Likörchen kann einem vielerlei versüßen.

Und unter der Hecke finden sich Bärlauch und Walderdbeeren. Wie die da hingefunden haben, ist mir ein Rätsel.

Wenn Sie Liebling in unserem Garten sehen, murrend und Slalom laufend, dann tut er das nicht, weil er tagsüber schon einen kleinen Li-ti-ti hat, sondern weil er meine wilden Kräuter nicht über den Haufen rennen darf.

Ich habe ihm übrigens gar nicht erzählt, daß ich schon die einen oder anderen davon in Suppe und Gemüse gemogelt habe, sonst rennt er womöglich wirklich noch ins Wirtshaus zum Essen.