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© Theresa Clayton 2015

 

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HENNE ODER GOCKEL?

 

 

Denn gang halt zum Auto und hol de Geldbeutel, du Henne! schloß der „Gentleman“ an der Kasse des Supermarktes seine schon länger andauernde, für alle Kunden unüberhörbare Tirade gegen seine Frau.

Alles, was sich in Hörweite befand, hob den Kopf und schaute sich ungläubig an.

Ich war so schockiert, dass ich mich nun meinerseits im Ton vergriff und Liebling bat:

Schatzispatzi, kannst Du bitte die Sachen in unseren Einkaufskorb packen? Ich bezahle derweil!“

Der solcherart Gebauchpinselte schaute mich völlig verdutzt an!

„Schatzispatzi“ gehört nicht zum Wortschatz, mit dem ich ihn beglücke, und das Bezahlen liegt sonst in seiner Verantwortung.

Die Frau des „Henne-Gentleman“ ging zwischenzeitlich still zum Auto und kam mit der vergessenen Geldbörse zurück.

 

Die Frage, die mich seither nicht mehr schlafen läßt, ist folgende:

Ist die Dame diesen Umgangston gewöhnt, oder hat sie mehr Anstand als ihr Gentleman, weil sie ihm wegen solchen Verhaltens nicht gleich eine Szene machte?

Ich an ihrer Stelle hätte ihm an Ort und Stelle sämtliche Haare ausgerissen!

Meine beim Hinausgehen leise gezischte Bemerkung in seine Richtung, dass man seine Ehefrau nicht „Henne“ nennen sollte und schon gar nicht in aller Öffentlichkeit, diente meinem eigenen Überleben, ich wäre sonst postwendend geplatzt.

 

Nun ist ja die schwäbische Sprache eine, bei der man in durchaus deftiger aber dennoch erkennbar liebevoller Art nicht nur seine Sympathie und Liebe ausdrücken kann sondern auch passende Bezeichnungen findet für Zeitgenossen, die nicht wissen, wie man sich zu benehmen hat.

„Saubär“ und „Schtoffel“ sind noch relativ harmlos.

Dem Gentleman-Gockel hätte ich ein „Soichbeitel“ (für Nichtschwaben: Pinkelsack!) in die Ohren geflüstert, wenn’s mir rechtzeitig eingefallen wäre.

 

Für alle Fälle habe ich mir jetzt einen Spickzettel geschrieben mit einschlägigen Ausdrücken, falls mir solch ein aufgeplusterter Gockel mal persönlich kommen sollte. Die lese ich ihm dann der Reihe nach vor.

 

Gute Umgangsformen zu lernen gehörte früher in jedes Erziehungsprogramm.

Adolph Freiherr Knigge hat sich anno 1788 schon Gedanken „Über den Umgang mit Menschen“ gemacht bezüglich Taktgefühl und Höflichkeit und ein Buch darüber geschrieben.

Irgendwie kommt’s mir so vor, dass weder Buchtitel noch Taktgefühl noch Höflichkeit heutzutage einen höheren Bekanntheitsgrad genießen.