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© Theresa Clayton 2015

 

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KRISEN

 

Statt Halma spielen wir Fußball.

Das ist so ziemlich das gleiche.

Beim Fußball muß man den Ball über den Platz in das gegenüberliegende Tor bringen. Bei Halma muss man seine Männchen über den Platz in das gegenüberliegende Feld bekommen, ohne jemandem Gelegenheit zu geben, dass er einem dazwischenfunkt.  

So ist die Theorie.

Die nützt einem bei Liebling nichts, wenn ich mit Liebling spiele, verliere ich dauernd. Deshalb also Fußball.

 

Ins Stadion gehen wir aber nicht, Liebling und ich.

Auch wenn unser ehemaliges Waldstadion jetzt „Hmhmhm-Arena“ heißt mit einem ganz wichtigen Namen davor, ganz wie die großen in München und auf Schalke und so. Obwohl unseres lange nicht an deren Dimensionen heranreicht.

 

Ich würde schon hingehen, wenn unser Heimteam spielt, aber Liebling meint, mit mir ginge er da nicht hin, ich würde die Spieler anschreien, wenn sie sich ungeschickt anstellen, und den Schiedsrichter gleich mit, das täte er sich nicht an, man will sich ja schließlich nachher noch irgendwo sehen lassen können.

Ich wunder mich, wie er auf solche Ideen kommt.

 

Leute wie uns nennt man Sofafußballer.

Wir schauen uns vom Sofa aus die Fußballübertragungen im Fernsehen an und beobachten gespannt, wie die Spieler versuchen, den Ball im richtigen Tor unterzubringen.

Das kann einen mitunter ganz schön aufregen – Liebling klatscht sich dann mit der flachen Hand an die Stirn und verdreht die Augen auf beängstigende Weise, so dass ich manchmal befürchte, er kriegt sie nicht wieder zurück an Ort und Stelle. Einen zum Spiel passenden Geräuschpegel verursacht das aber nicht.

Wenn ICH mich aufrege, wissen alle Nachbarn Bescheid, was bei uns los ist.

 

Läuft alles nicht so richtig, wie man es von einem guten Team erwarten könnte, hört man allenthalben, die Mannschaft hätte eine Krise.

Ich kenne keine deutsche Fußballmannschaft, die keine hätte. Und wenn nicht die ganze Mannschaft, so befindet sich mindestens einer - wenn nicht sogar mehrere - der wichtigsten Spieler in einem absoluten Formtief, welches sich in naher Zukunft zu einer Krise für die ganze Nation auswachsen wird. Meistens muss dann der Trainer seine Koffer packen, obwohl der ja der einzige ist, der keine Krise hatte. Er findet schnell wieder einen Job beim nächsten Verein und sieht nach, wo dort die Krisen sind.

 

Krisen sind modern.

Als Krisenbesitzer liegt man derzeit gut im Trend.

Wer sich eine Krise aneignet, kann punkten. Rund herum wimmelt es nur so davon, man muss direkt zusehen, dass man noch eine abbekommt.

Sogar unsere Bundeskanzlerin sagt, wir hätten eine, und im nächsten Jahr gäbe es eine noch viel größere. Ich glaube, sie schaut nach Feierabend in den Kaffeesatz und läßt sich etwas vor-unken (ich habe den Bindestrich dazwischen gemacht, damit sie sich mit diesem Wort nicht um den Verstand lesen). Nun weiß man, dass Politiker nicht immer über alles reden, was sie wissen. Manchmal reden sie auch über Dinge, von denen sie überhaupt nichts wissen. Manchmal verschweigen sie Krisen, manchmal produzieren sie selber welche, manchmal reden sie welche herbei.

 

Damit ich bei all diesem Krisengerede nicht noch selber eine bekomme, halte ich mich an den Spruch meines Vaters, mit dem er dem Ende seines Lebens begegnete:

„Wenn einem das Wasser bis zum Halse steht, darf man seinen Kopf nicht hängen lassen!“

Ich danke ihm für diesen Satz.