LANGE WOLLENE UND STIEFEL
Wieso bekommt man kaum lange Stiefel?
Die schicken meine ich, mit einer Schaftweite, die problemlos die Beine passieren lassen, etwas Spielraum um die Waden herum garantieren, bei denen man unten um die Kurve kommt und bei denen man den Reißverschluß bis oben hin zu bekommt, ohne dass es kneift?
Sind die modernen Beine etwa neuerdings zu Sauerkrautstampfern mutiert?
Nein! Die Stiefelindustrie ignoriert das individuelle Bein und stellt unverdrossen Langschaftstiefel für Spargelbeine her. Oder solche, wo man mit seinem Fuß oben gerade noch hinein aber unten nicht um die Kurve kommt!
Von Luftzirkulation am Bein keine Rede.
Alternativ dazu gibt es dicken Botten mit fabrikseitig schiefgelatschten Absätzen.
Wahrscheinlich haben die Stiefeldesigner noch nie ein richtiges Menschenbein mit Waden gesehen und die Stiefelnorm nach Models festgelegt, die auf „Steckelesfieß“ (für Nichtschwaben: Klapperstorchbeine) die Laufstege der Modewelt bevölkern.
Jahre hat es gedauert, bis mal einer der Verantwortlichen gemerkt hat, dass in unserem Städtchen mindestens eine Person wohnt, die keine Spargelbeine hat. Flugs hat er ein angemessenes, dem wahren Leben entsprechendes Paar Stiefel hergestellt.
Hochhackig.
Bis knapp unters Knie.
Butterweiches Leder.
Weit genug, damit sie einen nicht würgen.
Falls Sie darauf scharf sein sollten, haben Sie den richtigen Zeitpunkt verpaßt. Die stehen nämlich jetzt bei mir zu Hause.
Im Regal ganz hinten.
Dorthin wandert neues Schuhwerk zunächst. Damit ich auf spätere Nachfrage, woher die denn plötzlich kämen (als kämen die von alleine hergelaufen...), bequem behaupten kann, dass die da schon ewig herumstünden und manche Leute eben einfach keine Augen im Kopf hätten für die wichtigen Dinge des Lebens.
Wie ich erfahren habe, ist die eine bewährte Masche, um endlosen und unnötigen Diskussionen mit Ehemännern aus dem Weg zu gehen, ob und warum die Anschaffung notwendig war.
Ich finde, ich bin ein ausgesprochener Stiefeltyp.
Wenn es nach mir ginge, würde ich das ganze Jahr welche anziehen.
Ausser im Sommer!
Wie manche Leute das in der heißen Jahreszeit in Stiefeln aushalten, ist mir unbegreiflich.
„Im Winter, wenn es frostig ist, muss man sich unten herum warm anziehen. Warme, wollene Schlüpfer mit Bein bis ans Knie und ab da lange Stiefel.“ Wenigstens fand meine Oma das.
Ziehe ich also im Winter einen Rock an, mache ich der Oma im Himmel eine Freude und kombiniere ihn ausschließlich mit Stiefeln, die bis ans Knie reichen. Zu den ebenfalls empfohlenen wollenen Schlüpfern möchte ich mich nicht äußern.
Eine Zeit lang gab es nicht die richtigen Röcke für mich – ich habe nicht nur Ringe am Finger sondern auch um die Hüften und anderswo – nix mehr mit Größe hm/hm - reingeschlupft und paßt. Heute muss ich in Geschäften einkaufen, die mit ihrer Größenkollektion dort anfangen, wo die üblichen Bekleidungsgeschäfte aufhören.
Dort gab es jahrelang nur knöchelumspielte Röcke, als dürfe man nur schöne Beine herzeigen und der Rest gehörte versteckt. Nun haben sie die Mode aber extra nach meinem Geschmack geändert – Röcke bis dahin, wo die Stiefel anfangen.
Die ziehe ich jetzt an.
Und natürlich demnächst meine neuen Stiefel – solange, bis sie mir von den Füßen fallen. Wer weiß, wann wieder mal jemand aus der Schuhindustrie Notiz von meinem Beinumfang nimmt.