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© Theresa Clayton 2015

 

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LESEN ODER HÖREN?

 

Was macht man mit ausgelesenen Büchern?

Aussortieren und weg“ sagt Liebling „und in der Stadtbücherei einen Leserausweis holen!

Hab‘ ich erledigt: Ausweis geholt, ausgeliehene Bücher heimgeschleppt und eigene Bücher aussortiert.

 

Grimms Märchen, Kinderlieder, Weihnachtsbücher, Tim & Strupppi und dergleichen dürfen nicht in die hauseigene Sortieranlage, die müssen bei uns bleiben.

Wegen der Gerechtigkeit.

Weil man einzelne Exemplare nicht durch mehrere Kinder teilen und ihnen in ihr eigenes Zuhause mitgeben kann.

Bücher, in denen wichtige oder interessante Dinge stehen, verlassen das Haus auch nicht.

Aussortiert werden Bücher, die ich kaufe, wenn ich eine Ablenkung ohne Intelligenzanspruch benötige, oder wenn nicht jeder mit der Nase auf meine momentane faule Phase gestupft werden soll. Lesen erweckt zumindest den Anschein, als sei man beschäftigt. Diese Sorte Bücher müssen irgendwann wieder aus dem Haus, sonst müssen wir anbauen. Die letzte Ladung habe ich zur Gebrauchtwarenbörse kutschiert. Vielleicht hat jemand anderes ja auch mal eine faule Phase.

 

Neuerdings achte ich darauf, daß die Bücher, die ich ausleihe oder kaufe, vor der Rechtschreibreform geschrieben wurden. Sonst bleibe ich alle paar Meter im Text hängen und überlege, warum da zum Beispiel steht, etwas ginge „zulasten“ von irgendwem, wo ich der Meinung bin, man schreibt das „zu Lasten“.

Ob Autor und Lektor das übersehen oder die Reformer ihre fünf Minuten hatten?

Und das nun als neueste Errungenschaft der deutschen Rechtschreibung verkaufen?

Meine Güte.

 

Nicht nur in der Reform geborene schriftliche Verdrehtheiten kommen einem heutzutage unter die Augen.

Der Geistesblitz in Sachen Anwort, wo denn bei manchen Schreibweisen und Wortkreationen der gesunde Menschenverstand ihrer Erfinder abgeblieben sein könnte, kam bei mir bisher noch nicht vorbei.

Viele dieser Ungereimtheiten machen mich ganz wirr im Kopf und gehen eindeutig zu Lasten meines Leseflusses. Deshalb habe ich mir schon überlegt, auf Hörbücher umzusteigen. Da sieht man die Wörter nicht.

Hörbücher brauchen eine Abspielstation.

Die stehen nicht in jedem Raum.

Wenn ich mich auf meinem Küchensofa installiert habe, kann ich dort in Ruhe ein Buch lesen oder dem Brummen des Kühlschranks oder dem Rauschen des Geschirrspülers zuhören. Hörbücher hören kann ich da nicht.

Hörbücher kann man bei uns nur hören, wo „Otto“ steht - dick, breitohrig, verrupft und gemütlich weich. Kuschelt man sich bei Otto ein, hat man es „zum Einschlafen“ bequem und, sollte man es schaffen, seinen Geist auf Empfang zu halten, den optimalen Hörgenuß.

 

 

Bitte nicht stören!“ steht in Großbuchstaben auf Lieblings Stirn, wenn er auf diesem Sessel sitzt. Er beansprucht Otto, bis dessen Eigentumsverhältnisse zwischen uns geklärt sind. Deswegen, und weil Bücher den unschätzbaren Vorteil haben, daß man sie überall, sogar in der Badewanne und außerdem ganz für sich allein lesen, wichtige Stellen mit einem Bleistift unterstreichen und die Seiten mit Eselsohren dekorieren kann, vergnüge ich mich weiterhin lieber mit dem Gedruckten.

Von vor der Rechtschreibreform.