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© Theresa Clayton 2015

 

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ÜBUNG MACHT DEN MEISTER

 

Das Gras an unserem Hang war so hoch, daß sich das dort lebende Kleintierwesen im größten Urwald aller Zeiten wähnte.

Ein Schnitt war fällig.

Zwischen den langen Grashalmen blühten bunte Blumen, die ich gerne behalten hätte. Wegen der Steigung ist dieses Stück mit dem Rasenmäher nicht zu bearbeiten, und wenn die öffentlichen Hang- und Randstreifenmäher sich darüber hermachen, habe ich mit meinen speziellen Wünschen, welche Pflanzen stehen bleiben sollen, schlechte Karten. Einmal nicht hinschauen und alles ist streichholzkurz abrasiert.

 

Liebling hatte Verständnis für meine Sorgen.

Er holte die Sense heraus, die seit Jahren im Holzschuppen vor sich hin rostete, weil unsere vorherige Generation uns nicht gelehrt hat, damit umzugehen.

Die schliff er mit dem Wetzstein gerade so scharf, daß das Mähen einigermaßen von der Hand geht ohne daß er Gefahr läuft, sich die Haare an den Beinen abzurasieren, falls er mal nicht aufpaßt, und legte los.

Daß am Ende seiner Hilfsaktion auch nur eines von den zu rettenden Blümchen noch irgendwo stehen würde, war wohl nicht zu erwarten.
Mein vorsichtiger Blick um die Ecke erfaßte es auf Anhieb: alles ratzekahl.
Und, weit entfernt von einer gleichmäßigen Schnittführung, sieht der Hang jetzt außerdem aus, als hätte sich dort etwas Breitmäuliges mit zahlreichen Zahnlücken durchgefressen.

 

Unsere Nachbarin, eine liebevolle Gartengestalterin, war der Meinung, daß das Mähen mit der Sense nicht so schwer sein könne und probierte sich an ihrem eigenen Grünstreifen aus. Immerhin hatte sie ein neueres Sensenmodell, ergonomisch geformt, soweit man das von einer Sense behaupten kann. Auch Rost war nicht zu entdecken. Von einem scharfen Sensenblatt jedoch und einem haltbaren Griff war dieses Gerät meilenweit entfernt. Deshalb kann man es der guten Frau nicht anlasten, daß ihr Grünstreifen nun genauso abgefressen aussieht wie unserer.

 

Jedenfalls macht eine Sense keinen Krach, braucht kaum Platz, kostet wenig und braucht vor allem keinen Sprit.
Auf solche Dinge muß man heutzutage achten.

Wie ich Liebling das schonend beibringen soll, weiß ich noch nicht, aber ich habe im völligen Alleingang beschlossen, daß unsere Sense künftig häufiger zum Einsatz kommen soll. Hat die Handmahd auch beim ersten Mal noch nicht so richtig geklappt, über den Sommer wird Liebling diese Arbeit perfektionieren. Im nächsten Jahr weiß er dann, wie er um die Pflanzen, die ich gerne stehen gelassen hätte, besser drum herum kommt.

Ist er fit genug, schicke ich ihn auf die gesamte Nachbarschaft los, damit er alle unterrichtet, wie man sein Gras mit der Sense mäht.

Ich kann derweil endlich mal, zusammen mit den geretteten Blümchen, in Ruhe im Garten sitzen, ohne dieses ganze Getöse von bezinbetriebenen Rasenmäherlärmkisten und elektrischen Trimmerheulbojen von rundherum in den Ohren.

 

Sense