STRASSENFEGER
Unser Haus steht, windtechnisch gesehen, an exponierter Stelle.
Egal, aus welcher Himmelsrichtung der Wind bläst, am Ende kommt er das kleine Stückchen Straße hoch und bläst alles, was er im Schlepptau hat, direkt vor unsere Haustüre, in den Autoabstellplatz, in die Hecke oder in den Garten.
Dabei hätten wir noch ein paar Nachbarn!
Liebling hat vorgeschlagen, das ganze angeblasene Sammelsurium für eine Ausstellung zu verwenden. Mindestens ein Jahr lang könnten die Exponate wöchentlich ausgetauscht werden. Als Titel fanden wir „Was der Mensch alles fallen läßt“ passend. Zwischen Verpackungsmaterialien sämtlicher im Handel befindlichen Süßigkeiten finden sich Chipstüten, Zigarettenschachteln, Getränkeflaschen und Pizzakartons – alles leer natürlich. Die Reste einer Auswahl der Dinge, die der Mensch heutzutage haben muß, landen irgendwie immer bei uns.
Mit Hilfe von Besen, Schaufel und Eimer wird einmal in der Woche unter mordsmäßigem Gegrummel unsere ursprüngliche Ordnung wieder hergestellt.
Das erinnert mich an den „Rosenwinkel“ in meinem kleinen Städtchen in der Altmark, in dem sich zu einer Zeit, als es noch keinen Wohlstandsmüll gab, das Zuhause meiner Familie befand und der so hieß, weil jedes Haus in der Straße seine Kletterrose neben der Haustüre hatte.
Das sah hübsch aus, wenn sie alle blühten.
Dort traf man am Samstag Nachmittag die Nachbarn beim Straße fegen an.
Manchmal zogen
sich die Arbeiten hin, weil die fleißigen Feger, Arme auf den Besenstiel gestützt,
zusammen standen und ihre kleine Weltgeschichte diskutierten. Am Ende waren für den
Sonntag alle mit einer saubere Straße, den letzten Neuigkeiten und den mehr oder
minder qalifizierten Meinungen der nachbarlichen Mitmenschen ausgestattet.
So richtig populär ist das ja nicht mehr, aber vornehmlich in kleineren Ortschaften oder in manchen Wohngebieten kann man auch heute noch die Einwohner beobachten, wie sie samstags ihre Gehsteige fegen und die Wege ihrer Vorgärten harken, ein Harkenstrich ordentlich neben dem anderen.
Das amüsiert Liebling.
Er meint, daran merkt man, daß man in Deutschland ist und der Sonntag vor der Tür steht.
Inzwischen wurde die Straßenreinigung weitgehendst von Kehrmaschinen übernommen. Die interessiert sich nicht für die Weltgeschichte. Weder für die kleine noch für die Große. Die rattern durch die Straßen und kehren den Dreck weg.
Alle Jubeljahre kommt bei uns auch mal eine lang.
Die nimmt nur den Unrat mit, der in Reichweite der runden Bürste liegt. Den Rest müssen wir selber aufräumen. Wann genau sie kommt, habe ich noch nicht herausgefunden, jedenfalls nie an einem Samstag.
Vielleicht könnte man in der Kehrmaschineneinsatzzentrale darauf achten, daß die Straßen traditionell samstags zu kehren sind und nicht an x-beliebigen Tagen quer durch die Woche. Man kommt ja völlig durcheinander. Den Wochenendputz macht man doch auch nicht irgendwann sondern am Wochenende.
Am Ende weiß keiner mehr, wann Sonntag ist, wenn jeder putzt, wann er will.